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Jürgen Brodwolf (*1932)

Altar, 1999/2005
Stahlspeicher mit 75 Schautafeln,
Stahl, Plexiglas, Gewebeband
200 x 161 x 60 cm (in aufgeklapptem Zustand)
Inv.-Nr.: 2009/2/0
2009 erworben vom Künstler mit Mitteln der Mertens-Günteritz-Stiftung
Foto: Thomas Häntzschel, nordlicht

Zum Stimulus seines Schaffens vor über vierzig Jahren wurde dem Schweizer Objektkünstler und Plastiker Jürgen Brodwolf, was Tausenden Malern nie aufgefallen ist: Er entdeckte 1959 zufällig, dass seine leer gequetschten Farbtuben Assoziationen an eine menschliche Figur wecken, wenn man sie wieder entrollt und ihre Hüllen mit den Fingern gestaltet. So war die „Tubenfigur“ (kopflos ohne Schraubverschluss) entdeckt. Diese plastische Gestaltung der Kunstfigur faszinierte Brodwolf derart, dass er seine informelle Malerei aufgab und sich der Gestaltung von menschlichen Geschöpfen zuwandte. Anfangs tritt die „Tubenfigur“ als ein Zeichen für den Menschen in seinen Zeichnungen in unzähligen Variationen auf. Später ist sie Mittelpunkt seiner Plastiken, Objektkästen, Objektbilder und Figurentücher. Brodwolfs Sujet ist der geschundene Mensch, seine inneren und äußeren Verletzungen, denen er unterworfen ist. Doch Brodwolfs Obsessionen umkreisen nicht nur Tod und Vergänglichkeit. Ihn beschäftigen auch die Themen Geburt und Liebe.

In der Form eines traditionellen Flügelaltars aus Profilstahl integrierte Brodwolf 75 unikate Schautafeln, geschaffen von 1999 bis 2005, die herausgenommen und gedreht werden können. … Bei den Schautafeln ist die menschliche Figur oder der Kopf stets im Mittelpunkt, aber auch Kirchengrundrisse mit integrierten Tubenfiguren wechseln sich ab. Die Hohlräume der Schautafeln mit den montierten Papierfiguren enthalten pulverartige, stark leuchtende Farbpigmente (u. a. Lichtblau, Delftblau, Kobaltblau, Neapelgelb, Orange, Feuerrot, Pompejanischrot), unterschiedliche Samenkörner (u. a. Hirse, Mais, Reis, Sesam, Linsen, Koriander), sowie Salze und zerkleinerte Mineralien (u. a. Marmorgrieß, Bernstein, Malachit), die durch leichtes Drehen ständig neue Bildstrukturen ergeben.

(Susanne Feldt)