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Ein Jahrhundert später....
Ein verschollenes Gemälde kehrt zurück

Das Gemälde
Stilistische und konservatorische Untersuchungen des Vorbesitzers weisen auf die Autorenschaft des Künstlers Philipp Peter Roos oder seines Umfelds. Das Gemälde ist weder signiert noch datiert. Roos entstammt einer deutschen Malerfamilie und war, in der Tradition der Familie, Tier- und Landschaftsmaler. Ab 1677 wirkte er als angesehener Künstler in Rom und nannte sich, seit seinem Umzug nach Tivoli nahe Rom, „Rosa da Tivoli“. Für ihn typisch ist die Darstellung von Kühen, Schafen, Ziegen oder Pferden in der hügeligen römischen Campagna. Seine Werke sind weltweit in zahlreichen großen Sammlungen vertreten.

Neubrandenburg besaß von 1890 bis 1945 eine Städtische Kunstsammlung, die aus den Legaten des Malers Henry Stoll (1822-1890) und des Kunsthändlers August Schmidt (1825-1911) erwuchs. Sie verfügte über einen Bestand von 10.000 bis 15.000 Werken mit einem heutigen kunsthistorischen und materiellen Wert von mehreren Millionen Euro.
Beim Brand der Neubrandenburger Innenstadt in der Endphase des 2. Weltkrieges, in der Nacht vom 29. auf den 30. April 1945, sind das Museum und dessen historische Dokumente zerstört worden. Die Sammlung selbst soll kurz vorher Richtung Westen evakuiert worden sein. Jedoch erst Jahre nach dem Umbruch in der DDR begann 1998 die Suche nach den verschollenen Werken.

Eine lange Recherche
1998 wurden im Amtsgericht Neubrandenburg Nachlass- und Magistratsakten der Stiftung Stoll aufgefunden. Durch ihre Auswertung und weiterer Recherchen konnten 1.159 Kunstwerke als Neubrandenburger Eigentum nachgewiesen werden. Diese wurden 2003 bei der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste (seit 2015 Deutsches Zentrum Kulturgutverluste)
angezeigt und sind als Verlustmeldungen online (www.lostart.de) abrufbar. 2004 wurde darüber hinaus ein Verlustkatalog publiziert und an alle relevanten Stellen verschickt. Es ist ein Glücksfall, dass Recherchen ins finnische Helsinki führten und sich dort ein mehr als hundert Jahre verschollenes Gemälde aus Neubrandenburg fand.

Der Glücksfall
Das Gemälde „Shepherd with a cow, goats and sheep“ mit ungeklärter Herkunft wurde in Helsinki im Amos Anderson Art Museum (Amos Rex) durch finnische Provenienzforscher im Jahr 2005 identifiziert. Dieses Werk und der Neubrandenburger Verlust des Gemäldes „Landschaft mit Hirt und Herde“ wiesen überraschende Übereinstimmungen auf. Neben dem identischen Bildinhalt besitzt das Gemälde auf der Rückseite die Nummer 648. Diese entspricht der Nummerierung des in Neubrandenburg als Verlust gemeldeten Werkes. Deshalb gab es bereits seit 2019 intensive Kontakte zum Amox Rex in Helsinki, die schließlich dazu führten, dass sich die Finnen 2021 dazu entschlossen haben, dass das Gemälde an seinen Ursprungsort zurückkehren soll. Die Beweise belegten eindeutig die Herkunft des Werkes.

2006 fanden die Provenienzforscher in der Finnischen Nationalbibliothek einen Restaurierungsbericht von 1926 über die Reinigung des Gemäldes „Shepherd and Cattle“ aus dem Besitz des Sammlers Amos Anderson (1878-1961). Diese weitere Übereinstimmung bedeutet, dass das Gemälde nicht erst seit 1945 verschollen war. Es ist bereits bei einem Einbruch 1919 in die Städtische Kunstsammlung neben 17 weiteren
Gemälden gestohlen worden. Wie es nach Skandinavien gekommen ist, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Ein weiterer Beweis, dass es sich bei dem Glücksfall aus Helsinki tatsächlich um Neubrandenburger Kunst handelt, lieferte die alte Retusche, die sich bei Analysen zeigte.
Schließlich ist überliefert, dass sich das Neubrandenburger Gemälde 1890 „in Restauration“ befand. 2012 wurde das Gemälde durch das Amos Anderson Art Museum umfassend restauriert.

„Landschaft mit Hirt und Herde“ ist ein Geschenk aus Helsinki an unsere Stadt. Nach mehr als 100 Jahren wurde es dank der entgegenkommenden Zusammenarbeit möglich, dass das verschollene Bild zurückkehrt.